Stuttgart beherbergt acht Michelin Sternerestaurants. Das wohl berühmteste unter ihnen ist die Wielandshöhe an der alten Weinsteige. Sie ist die Wirkungsstätte von Vincent Klink, der über die Grenzen Stuttgarts hinaus bekannt ist. Im SWR beglückt er Freitags die Zuschauer mit seiner Kochkunst und bringt ihnen vor allem die schwäbische, saisonale Küche näher.
Obwohl wir in Stuttgart geboren und aufgewachsen sind, hatten wir bisher noch nicht das Vergnügen ein Menü dieser Stuttgarter Berühmtheit zu genießen. Höchste Zeit also in die Zacke Richtung Wielandshöhe zu springen und uns an einem Samstag nachmittag auf das Abenteuer Sterneküche einzulassen.
Reservieren ist natürlich ein Muss und man sollte auch ziemlich pünktlich um 12 Uhr bzw. 18 Uhr erscheinen, da die Küchenzeit begrenzt ist. Außerdem fanden wir es den Bereich „Grundsätzliches“ auf Homepage der Wielandshöhe ziemlich lesenswert. Man erfährt einiges über die Grundregeln des Hauses. Ganz wichtig: nicht nach einem Fensterplatz fragen! Das Essen ist das was zählt! Wir versichern euch, die Aussicht ist eigentlich von jedem Platz aus fantastisch. Vor allem im Herbst wenn die Bäume alle noch ihr buntes Blätterkleid tragen Es ist auch von Vorteil von vornherein zu wissen, dass es bei Vincent Klink keine Miniportionen, Dekochichi oder total abgefahrene Variationen von Klassikern gibt. Der Fokus wird auf die Qualität und den Geschmack der einzelnen Zutaten gelegt. Das finden wir sehr sympathisch. Die Verwendung von biologischen, regionalen Produkten und die ganzheitliche Verarbeitung müssen wir hier besonders hervorheben.
Der Gastraum ist klassisch eingerichtet und mit frischen Blumen hübsch dekoriert. Die Tische sind für unseren Geschmack etwas zu eng gestellt. Das Publikum besteht an diesem Nachmittag hauptsächlich aus älteren Herrschaften, die wohl ganz klar in die Kategorie „Vincent Klink Groupies“ zugeordnet werden können. So sind alle ganz aus dem Häuschen als der Herr des Hauses zweimal die Runde durch die Gäste macht. Er hält mit jedem Tisch ein kleines Schwätzchen und fragt nach der Zufriedenheit. Für viele der Besucher sicher das Highlight schlechthin. Wir konzentrieren uns lieber auf das Essen.
Der Service ist an den Nachbartischen sehr aufmerksam und zuvorkommend. Bei uns wird jedoch leider vergessen, dass wir eigentlich einen Dessertwein wollten und auch unsere Gläser stehen ziemlich lange leer und ohne Nachfrage auf unserem Tisch herum. Hier hatten wir uns klar mehr erhofft.
Nun aber zum Essen und Trinken. Wir beschließen den Besuch in der Wielandshöhe zum größten Teil anti-alkoholisch zu gestalten. Daher bestellen wir zwei hausgemachte Limonaden als Aperitif. Diese sind nicht zu süß, erfrischend und gekühlt. Zur Auswahl stehen für alle Alkohol-Verzichtler außerdem ausgefallene Saftsorten aus der Region.
Als Gruß aus der Küche folgt dann eine Lauch-Käse Quiche. Der Käse ist dabei intensiv aber nicht dominant. Der Teig ist knusprig, buttrig und trotzdem nicht zu schwer.
Wir entscheiden uns dafür zweimal das Menü I in unterschiedlicher Variante zu bestellen. So haben wir die Möglichkeit wirklich jedes Gericht, das im Menü I zur Auswahl steht zu probieren. Es werden zunächst zwei Brotvariationen serviert. Beide schmecken uns sehr und sind ein guter Start ins Menü.
Als Vorspeise gibt es ein Carpaccio von Sepia und Pulpo mit Orangen-Fenchelsalat und eine Krustenpastete vom schwäbisch-hällischen Landschwein mit Waldorfsalat. Für das Carpaccio wurden der Sepia und der Pulpo in Orangen-Aspik verarbeitet und dann in dünne Scheiben aufgeschnitten. Dadurch dominiert uns leider der Geschmack der Orange zu stark. Der Orangen-Fenchelsalat ist fruchtig, würzig und durch Wildkräutersalat ergänzt. Ein leckeres Gericht bei dem jedoch der Geschmack des Sepia und Pulpo komplett untergeht.
Auf die Pastete haben wir uns besonders gefreut. Ich verbinde damit großartige Kindheitserinnerungen und hatte dieses Gericht seit Jahren nicht mehr gegessen. Wie es so oft mit Kindheitserinnerungen ist: sie werden meist enttäuscht. Leider hatten wir wohl eine andere Vorstellungen davon, wie eine Pastete so schmeckt. Daher können wir ihre Qualität schwer beurteilen, unseren Geschmack hat sie nicht so getroffen. Das sagt in diesem Fall aber wirklich nicht viel aus. Der dazu gereichte Waldorfsalat ist cremig und schmeckt zusammen mit den karamellisieren Walnüssen sehr lecker. Die zur Pastete gereichte Sauce ist uns etwas zu herb.
Der nächste Gang ist eine Apfel-Meerrettichsuppe mit Speckcrôutons. Wow! Das Gericht haut uns um und zaubert ein breites Grinsen auf unsere Gesichter. Eine bewährte Kombination und ein eigentlich einfaches Gericht, aber bis ins letzte Detail perfekt abgestimmt. Die Suppe ist fruchtig und sahnig, aber nicht schwer. Der Meerrettich ist würzig, treibt einem aber nicht die Tränen in die Augen. Der dazu gereichte Crôuton ist eine dünne, knusprige Scheibe Brot auf der salzige, kleine Speckstückchen drapiert sind. Beides ergänzt die Suppe perfekt.
Als Hauptspeise gibt es Filet vom Würzbachtal-Saibling mit Schnittlauch-Beurre blanc und Heckengau-Linsen und Rücken vom fränkischen Hirschkalb mit gebratenem Sitzkraut und Dinkel-Spätzle. Der Saibling hat einen feinen Geschmack und wird super von der leichten Sauce umhüllt. Zum zarten Fisch passt die knusprige Kruste hervorragend. Dazu gibt es auf den Punkt gekochte Kartoffeln. Unser Highlight sind hier jedoch die Linsen. Linsen gibt’s in Stuttgart häufig auf den Tisch, aber wir haben sie noch nie so gut gegessen. Sie sind perfekt bissfest und kein großer, breiiger Matsch, wie so oft. Die Wumms kommt durch die leichte Essignote bei dem die genau richtige Dosis gefunden wurde. Lecker! Da freut es uns, dass die Hauptspeisengröße einem normalen Gericht und nicht einem super-duper Edelrestaurantgericht entspricht. Auch der Hirsch überzeugt uns auf ganzer Linie. Er ist perfekt, leicht rosa gebraten und wird mit einer intensiven Bratensauce mit perfekter Konsistenz serviert. Das Spitzkraut ist bissfest und leicht süßlich angemacht. Die Dinkel-Spätzle haben die richtige Festigkeit und einen klasse Geschmack. Das ganze Gericht ist eine wundervolle Mischung aus unterschiedlichen Texturen.
Der krönende Abschluss eines Menüs ist das Dessert. Ich finde diesen Gang ganz unglaublich wichtig, da er als letzter Gang besonders im Gedächtnis bleibt. Ich glaube auch Herr Klink ist sich dessen bewusst. Denn dieser Gang war unglaublich! Auf der Karte stand die unscheinbare Bezeichnung Birne Helene Vanilleglace. Wie fast alle Gerichte dieses Menüs, ein Klassiker. Hier wurde nochmal deutlich in welche Höhen man ein klassisches Rezept heben kann, wenn man es mit außergewöhnlich guten Zutaten und in Perfektion zubereitet. Eine saftige, weiche Gute-Luise Birne getunkt in dunkle Valrhona Schokolade. Daneben ist knuspriger Blätterteig auf einem Bitterorangenconfi angerichtet. Beide Komponenten bilden gute Gegenspieler um die Süße der Schokolade auszugleichen. In einem extra Schälchen wird etwas unscheinbar eine Nocke Vanilleglace serviert. Das beste Vanilleeis, das wir je hatten! Innerlich schreien wir vor lauter Freude „HALLELUJA“. Was für eine Konsistenz! Eine feste Kugel, die wenn der Löffel darüber fährt einen wundervollen Schmelz zeigt. Bis zum Schluss des Menüs zerläuft das Eis nicht in der Schale und lässt sich Stück für Stück genießen. Im Mund entfaltet sich ein vanillig-cremiger Geschmack, der zusammen mit der vorzüglichen Valrhona Schokolade einfach himmlisch ist. Traurig schieben wir den letzten Bissen dieses Meisterwerks in unseren Mund, als zusammen mit unserem Espresso noch ein paar Petit four serviert werden. Diese kleine Zusammenstellung an Glücklichmachern ist nicht nur süß sondern auch sehr geschmackvoll. So rollen wir zufrieden, aber glücklich aus dem Restaurant und die Weinsteige hinunter.